„Wahnsinnserlebnis“: Solinger Fechter von 100.000 Fans bejubelt
- kerstin0610
- 22. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Jakob Stange: Solingens Sportler der Jahre 2023 und 2024 studiert in Ohio/USA – und kann sich dort intensiv seiner Leidenschaft widmen.
Columbus/Solingen. Das Fechten hat im Solinger Leistungssport seinen festen Platz. Dafür steht das Fechtzentrum, welches in enger Verbundenheit zur Friedrich-Albert-Lange-Sportschule ein Garant für Medaillen und Titel ist. Zum Gesicht des Clubs avancierte Jakob Stange. Seine Wahl zum Sportler der Jahre 2023 und 2024 bei der beliebten Aktion von ST und Sportbund zeugt davon eindeutig. Mittlerweile hat der 19-Jährige für die kommenden vier Jahre ein neues Kapitel in seinem Leben aufgeschlagen – in Ohio/USA. Als Student, aber auch als Degenfechter.
„Schon die ersten Wochen waren überwältigend“, schwärmt der Solinger von dem, was in Columbus an der Ohio State University und darüber hinaus auf ihn einprasselte. Genau das entspricht der Erwartung eines „Wahnsinnserlebnisses“. Highlight neben sportlichen Tests und allgemeiner Eingewöhnung war der Besuch des Football-Spiels von seinem College. „Zur Halbzeit durften alle Athleten aufs Feld, wir wurden von 100.000 Fans bejubelt. Es war großartig.“
Der Antrieb und das Vorprogramm
Ist es ein normaler Akt der beruflichen Grundlagenschaffung? Oder doch ein Abenteuer? Für Jakob Stange ist der Hauptantrieb seines zukünftigen Tuns jedenfalls klar: „Es ist einfach eine unfassbar gute und sehr seltene Option, Studium und Sport miteinander zu verbinden.“ Etliche Tests waren notwendig, natürlich auch auf sprachlichem Terrain – allesamt erfolgreich abgelegt. Was dann auch für die Erlangung des Visums galt.

Zwei Mal wurde Jakob Stange für das Fechtzentrum Deutscher Meister beim Nachwuchs – und ebenso oft zum Sportler des Jahres gewählt.
Quelle: Christian Beier
Das ist neben dem Sport geplant
Stanges berufliches Standbein ist die Business School als Grundstudiengang mit ihren wirtschaftswissenschaftlichen Fächern. Eine Spezifizierung erfolgt erst im Laufe des Studiums, Mathematik ist eine Option.
Durch das Stipendium und die Unterstützung der Eltern ist der Student finanziell im Reinen. „Wir können damit kostenlos die Angebote von Mensa, Studio und mehr nutzen, so dass die Fixkosten in der Woche quasi bei Null liegen“, erzählt Stange mit Blick auf den riesigen Campus, der unter anderem auch ein Krankenhaus und eine Polizeistation beherbergt.
So ist der neue Student untergebracht
Los ging es für eine Woche mit einem Hotelzimmer. Nunmehr teilt sich der FALS-Abiturient von 2024 – der danach zur Aufbesserung der „Reisekasse“ jobbte – ein College-Zimmer mit einem Amerikaner, zu dem er im Vorfeld seiner großen Reise Kontakt aufgenommen hatte. „Als Sportler bin ich das von meinen Reisen gewohnt“, sagt Stange zum Miteinander bei überschaubaren Ausmaßen. Die Miete geht ans College, an dessen Rand viele Studentenwohnungen gelegen sind – nach dem ersten oder zweiten Jahr könnte dorthin der Umzug erfolgen.
Auf dem Weg zum College-Meister?
Seinen Plan mit Kursen hat Stange vorgegeben bekommen – inklusive der sportlichen Aktivitäten. Die geschehen jeweils von Montag bis Freitag in geblockten Zeiten von 8 bis 12 Uhr. Das könne auch schon mal über diese Spanne hinausgehen, ebenso sei man natürlich nicht vier Stunden lang voll im Einsatz. Gewiss sei: „Es ist viel Training, das einen extrem fit machen kann.“
Der Fechtsport in den USA gewinnt zusehends an Qualität, weil auch internationale Fechter dort ihre sportliche Heimat finden. So genießt ein Ägypter derzeit den Titel des College-Meisters – ein Ziel auch für den international erprobten Newcomer aus Nordrhein-Westfalen. Dieser weiß: „Im College-Alter sind die USA mittlerweile Weltspitze, danach werden ihre Athleten aber nicht aufgefangen.“ Dadurch falle man in der internationalen Bedeutung wieder zurück.
Ich bin mir sicher, dass Jakob das Beste aus jedem Training machen wird und am richtigen Ort ist, um seinen Weg zu gehen.
Falk Spautz / Trainer des Fechtzentrums Solingen
Vergangene Saison mit Luft nach oben
Der ganz große Wurf war in der vergangenen Saison ausgeblieben. „Wir hatten uns alle mehr erhofft, aber mein zehnter Platz bei der Europameisterschaft war auch nicht schlecht“, blickt Stange auf die U20-Konkurrenz zurück – die mit Rang vier im deutschen Team endete. „Sehr schade, dass wir die Medaille verpasst haben, aber es macht auch Hunger auf mehr.“
Fechtzentrum
Bereits in seiner nächsten Saison befindet sich das Fechtzentrum Solingen. An der Spitze des Vereins steht ein neuer Mann: Jörg Heiles hat den langjährigen Vorsitzenden Daniel Certa abgelöst. Seine Stellvertreterin ist Michaela Lürken. Mit Dirk Stange, dem Vater von Jakob Stange, ist eine erfahrene Vorstandskraft weiterhin an Bord – er ist unter anderem für die Finanzen zuständig. Über die Veränderungen und Perspektiven berichten wir in Kürze ausführlich.
Das meint der langjährige Coach
Jakob sei im internationalen Spitzensport etabliert und daher kein Unbekannter mehr. Jetzt lege er durch sein Spitzensport-orientiertes Studium in den USA eine passende Schippe drauf, um auch in der „Königsklasse“ des Senioren-Fechtsports in die Weltspitze zu finden. Meint Falk Spautz und führt weiter aus: „Ich bin mir sicher, dass Jakob das Beste aus jedem Training machen wird und am richtigen Ort ist, um seinen Weg zu gehen.“ Entsprechend groß sei die Freude, die Entwicklung bei den ersten Wettkämpfen beobachten zu können – auch mit nur wenig Einfluss aus der Ferne.

So stehen die Chancen fürs Nationalteam
Aus den Augen, aus dem Sinn? Dieses Sprichwort trifft nicht zu, beim Deutschen Fechter-Bund hat sich die Toleranz und Akzeptanz bei im Ausland tätigen Aktiven durchgesetzt.
„Es ist ja auch keine Entscheidung gegen den Leistungssport“, betont Stange, der sich einer kritischen Beobachtung ob der Berücksichtigung fürs Nationalteam bewusst ist. Bei stabiler Quote sind die Teilnahmen an Weltcups gesichert, als derzeit Zehnter der deutschen Männer-Rangliste sei die Chance auf die Top 4 gegeben.
Wovor ist der Respekt am größten?
Der Abschied vom gewohnten Umfeld, mit dem Stange sehr glücklich war, tat weh. Auch das Essen der Oma vermisst er. Der Blick geht indes mehr nach vorne, die Sprache stellt die vielleicht größte Herausforderung dar. „Aber das wird sicherlich schnell gehen“, sagt Stange, der sich gleichermaßen auf neue Kontaktpersonen wie Trainer und Professoren einstellen muss. Bewusst ist ihm, dass man eben mal nicht eine Stunde vom vertrauten Zuhause entfernt sei. Sein Motto: Anpassen, akzeptieren und Dinge zulassen, auch wenn diese in der Beliebtheitsskala nicht ganz oben stehen würden.
Ohne Sorge ins Trump-Land
Bleibt noch das Land USA mit einem Präsidenten Donald Trump. Dessen Streit mit der Elite-Universität Harvard hat natürlich zum Nachdenken angeregt, aber beim Solinger behält Zuversicht die Oberhand. „Mein Prozess, nach Ohio zu gehen, lief schon vor Trumps Wahl. Ich kann die Entwicklung nicht beeinflussen und will mein Ding machen.“ Lockerheit ist also mit dabei, zumal Stange keiner Zielgruppe angehört, gegen die man vorgehen wolle.
Quelle: Solinger Tageblatt vom 22.09.25 / Text: Jürgen König
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